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Der „Reifengas-Effekt“ wird auch ohne die teure Sonderbefüllung erreicht. Die „normale Druckluft“ besteht zu 79 % aus Stickstoff. Wenn diese Luft schneller durch die Reifendecke diffundiert, dann handelt es sich bei den leicht flüchtigen Anteilen um die 20% Sauerstoffmoleküle. Dieser Anteil sollte dann nach kurzer Zeit bereits herausdiffundiert sein, der Stickstoff bleibt zurück. Durch das dann immer nur geringfügige Nachfüllen wird der Stickstoffanteil innerhalb kurzer Zeit stark ansteigen. (Diese Argumentation setzt voraus, dass der „Reifengas-Effekt“ überhaupt existiert.)
Reifendruck bei unterschiedlichen Temperaturen nicht konstanter. Bei Drücken im Bereich weniger bar (d. h. auch bei 10 bar im LKW-Reifen) und realen Temperaturen (-50 Grad Celsius bis +150 Grad Celsius) verhalten sich alle Gase als nahezu Ideale Gase, ganz gleich ob es sich nun um 100 % Stickstoff oder lediglich um 78%iges Stickstoff (=Luftgemisch) handelt.
Nach der Befüllung mit Reifengas steigt der Stickstoff-Anteil nur von 80 % auf 93 %. Ein PKW-Reifen wird mit rund 2 bar Überdruck befüllt. Der Umgebungsdruck (vor der Befüllung) beträgt 1 bar, der Druck wird also verdreifacht. Es wird bildlich gesprochen die doppelte Menge Gas in den Reifen gepumpt, die nach dem Aufziehen auf die Felge schon im drucklosen Reifen vorhanden war. Da der Reifen bei der Befüllung mit Reifengas weder evakuiert, noch unter Schutzatmosphäre gespült wird, enthält der Reifen nach der Befüllung 66 % Reifengas und 33 % Luft, der Stickstoff-Anteil steigt also lediglich um etwa 16 % an.
Druckverlust bei Sauerstoff sei geringer als bei Stickstoff. In der Verwendung als Füllgas unterscheiden sich Sauerstoff und Stickstoff nur geringfügig. Stickstoff ist mit 28g/mol etwas leichter als Sauerstoff mit 32 g/mol; die Bindungslänge von Stickstoff beträgt 109,8 pm, die von Sauerstoff ist mit 121pm länger. Daraus leitet sich ab, dass der Stoßquerschnitt von Stickstoff sogar kleiner ist als der von Sauerstoff. Dieser ist relevant für die Diffusionsgeschwindigkeit nach Knudsen. Stickstoff diffundiert somit um ein paar Prozente schneller durch kleinste Kapillaren des Gummis als Sauerstoff. Allerdings löst sich Sauerstoff schneller in Gummi als Stickstoff. Eine Befüllung mit reinem Sauerstoff wäre für Reifengummi und Felge (Oxidation, Korrosion) schädlich.
Roll/Federungseigenschaften sind nicht zu unterscheiden. Bei den vergleichsweise niedrigen Drücken in Kfz-Reifen verhalten sich sowohl Sauerstoff- wie Stickstoffmoleküle als nahezu ideale Gase und damit im Bereich weniger Promille identisch.
Bezug auf Luftfahrt und Formel 1 nicht praxisrelevant. Die im Formel 1-Sport und landenden Flugzeugen auftretenden Temperaturbelastungen der Reifen werden im Straßenverkehr nicht erreicht. Im Straßenverkehr ergibt sich für die Reifen ein Brandrisiko allenfalls durch Reifenüberhitzung in Folge zu geringen Druckes und der daraus resultierender Walkarbeit, bei LKWs zudem an gezogenen Achsen bei fortgesetzt blockierenden Bremsen. Diese Risiken vermag die Reifengas-Befüllung jedoch nicht zu verhindern.
Öl und Wasser haben auch in normaler Druckluft nichts zu suchen. Das Argument des Fachhändlers "Reifengas ist frei von Öldampf und Feuchtigkeit" bedeutet im Umkehrschluss "Unsere normale Druckluftanlage ist mangelhaft. Wasser- und Ölabscheider sind defekt" und erklärt warum in Diskussionsforen auf die Frage "Mein Reifenhändler bietet mir Reifengas an, was soll ich tun?" eine der Standardantworten lautet "Einen anderen Reifenhändler aufsuchen".
Der Druckverlust durch Diffusion durch das Gummi hat keine Praxisrelevanz. Für den Druckverlust durch Diffusion sind die Inspektions-Intervalle des Fahrzeugs ausreichend. Relevanter Druckverlust rührt in der Praxis von defekten Ventilen oder Defekten am Felgenhorn. Zudem schützt das Reifengas nicht vor mechanischen Verletzungen der Reifen wie Schnitten oder eingefahrenen Nägeln.
Reifengas schadet zwar nicht, nützt aber lediglich dem Gewinn des Reifenhändlers.
Reifengas entbindet nicht von der regelmäßigen Reifendruck-Kontrolle.
lg
alex